Die Wahrscheinlichkeit, mit zunehmendem Alter selbst unter einer Demenz zu leiden oder im beruflichen wie privaten Umfeld jemanden zu kennen, der an einer Demenzform leidet, wird immer größer. Bereits jetzt hat etwa ein Viertel der Bevölkerung über 55 Jahren einen Verwandten, der an einer Demenz erkrankt ist. Über kurz oder lang stellt sich da jeder die Frage, ob man selbst einmal betroffen sein könnte – und ob das vielleicht zu verhindern wäre.

Vor diesem Hintergrund stieß das in diesem Jahr Netzwerk-Treffen am 10. Februar, zu dem die Alzheimer Gesellschaft Rheingau-Taunus eingeladen hatte, auf großes Interesse. Die 1. Vorsitzende Beate Heiler-Thomas begrüßte Prof. Dr. Josef Kessler, der gemeinsam mit seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Isabell Ballasch über Vorbeugung sprach, beziehungsweise wie es in seinem Buch „Der andere Anti-Demenz-Ratgeber“ provokant formuliert ist, was man „mit falscher Ernährung, wenig Bewegung und Einsamkeit tun kann, um den Verstand zu schädigen“.

Und da gibt es eine ganze Menge. Die Wissenschaft geht derzeit davon aus, dass immerhin bis zu 35 Prozent der bekannten Risikofaktoren beeinflussbar sind, wobei die verschiedenen Demenz-Formen nicht alle dem gleichen Muster folgen und auch bei Männern und Frauen unterschiedlich häufig/stark auftreten.

Eine wesentliche Rolle in der Prävention sei die kognitive Reserve, also die Fähigkeit des Gehirns, neue Informationspfade aufzunehmen, wenn es in bestimmten Bereichen zu alters- oder krankheitsbedingten Ausfällen gekommen ist. Dieser Reservespeicher ist teils genetisch bedingt, kann aber durch Verhalten vergrößert werden: durch Bildung bzw. geistige Aktivität, Bewegung und Sport sowie soziale Aktivität, die sozialer Isolation und Einsamkeit vorbeugt.

Sport verzögere auf jeden Fall und verhindere vielleicht den Ausbruch einer Demenz, betonte Kessler. Und auch bei bereits bestehender Demenz verbessere körperliche Aktivität kognitive Funktionen. Übergewicht im mittleren und höheren Alter sei ein großes Risiko, aber auch Untergewicht stehe im Zusammenhang mit häufigen geistigen Einschränkungen im Alter. Zu viel tierische Fette, zu viel Zucker, zu viel Alkohol erhöhen das Demenz-Risiko. Empfohlen wird die sogenannte Mittelmeer-Diät mit mehr Fisch statt Fleisch, gesunden Ölen, viel Obst und Gemüse.

Ein rücksichtsvoller Umgang mit seinen Sinnen zahle sich ebenfalls aus, und hier geht es nicht nur um die Brille. Schwerhörigkeit bzw. die Bedeutung eines Hörgeräts wird in der Demenz-Prävention von vielen Betroffenen gerade auch im jüngeren Alter unterschätzt. Hier kann man sich und seinem Gehirn relativ leicht Gutes tun. Im hohen Alter sollte hingegen abgewogen werden, ob ein Hörgerät tatsächlich helfe oder überfordere. „Essenziell wichtig“ sei ein soziales Netzwerk auch. Kessler: „Soziale Kontakte bringen nicht nur Liebe und Freude, sondern halten zudem körperlich und geistig aktiv.“

Der Neuropsychologe plädiert für eine möglichst frühe Diagnostik, nicht nur zugunsten einer besseren Lebensplanung, sondern auch weil es sekundäre Demenzen als Folge einer anderen Erkrankung gibt, die unter Umständen gut behandelbar sind. Bei sehr alten Menschen sei eine umfassende Gedächtnistestung und der damit verbundene Stress oft nicht mehr angemessen; eine Einschätzung, die sich mit den Erfahrungen der Alzheimer Gesellschaft deckt.  „Diese Menschen sollte man in Ruhe lassen“, sprach er sich gegen eine zu starke Pathologisierung aus.

Es gibt kein Medikament, das Demenz heilen könnte. Kessler schätzt, dass das auch noch die nächsten 15 bis 20 Jahre so bleiben wird. „Und Substanzen, die den Fortschritt einer Demenz verlangsamen, wirken oft nur einen kurzen Zeitraum und haben Nebenwirkungen.“  Seit 1998 wurden über 100 Medikamente getestet, nur vier wurden zugelassen. Es kann sich also durchaus lohnen, sich mit seinen persönlichen Risikofaktoren zu beschäftig