PM RTK, 03.11.2017
Das Thema „Demenz“ ist immer noch schambesetzt
Landrat Frank Kilian besucht die Alzheimer Gesellschaft Rheingau-Taunus / Viele wissen noch zu wenig über die Erkrankung
„Es gibt viele Menschen, die, wenn sie die Diagnose für eine demenzielle Erkrankung erhalten, diese Nachricht nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sie verdrängen“, sagt Beate Heiler-Thomas, Erste Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Rheingau-Taunus. Für andere Patienten ist die Diagnose ebenso wie für die Angehörigen ein Schock. „Denn noch zu oft wissen viele Menschen zu wenig über Demenz und wie sie damit umgehen sollen“, ergänzt ihre Stellvertreterin Petra Nägler-Daniel. Für die Vorsitzende ist das Thema sogar „schambesetzt“; niemand wolle – solange er oder sie als Patient oder Angehöriger nicht selbst betroffen ist – darüber sprechen.
Deshalb tuen Beratung und Aufklärung bitter Not, sind erste Anlaufstellen, wie die Alzheimer Gesellschaft Rheingau-Taunus, von so enormer Bedeutung, um Patienten wie deren Angehörige mit der Diagnose nicht alleine zu lassen und um Beratung wie Unterstützung zu bieten. Die Übertragung der Schirmherrschaft der Alzheimer Gesellschaft nahm Landrat Frank Kilian zum Anlass, sich über dementielle Erkrankungen zu informieren.
Schließlich nimmt das Thema an Bedeutung immer weiter zu. Experten sprechen mittlerweile schon von einer Volkskrankheit. Alleine in Deutschland sind derzeit rund 1,6 Millionen Männer und Frauen von Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz betroffen; mit steigender Tendenz. Daraus ergeben sich wiederum Forderungen an die Gesellschaft. Die Öffentlichkeit muss besser über Demenzen aufgeklärt werden. Gleichzeitig soll die Isolation von Menschen mit Demenz reduziert werden. Auch die Qualität der Pflege zuhause und in Pflegeheimen gelte es zu verbessern. Das sind drei von insgesamt zehn Forderungen des bundesweiten Aktionsplanes „Zukunftsentwicklung Demenz“.
Noch viel zu oft werden Menschen mit Demenz wie Angehörige mit der Erkrankung, mit den Folgen und Konsequenzen alleine gelassen. „Dementielle Erkrankungen sorgen für die Verminderungen von geistigen Fähigkeiten und für Veränderungen der Persönlichkeit bei den Patienten“, betont Beate Heiler-Thomas. Depressionen und Aggressionen können auftreten, die Patienten verlieren den Kontakt zu ihrem sozialen Umfeld, haben Schwierigkeiten sich zu orientieren, ihnen fallen Worte und Begriffe nicht mehr ein.
Petra Nägler-Daniel: „Im Gegenzug nehmen die physischen wie psychischen Belastungen für die Angehörigen durch die Pflege wie durch den Verlust eines geliebten Menschen, mit dem sie immer weniger kommunizieren können, zu.“ So gehen vor allem pflegende Angehörige im Verlauf der Krankheit durch ein Wechselbad von Gefühlen. Schmerz und Mitleid gehören ebenso dazu wie Hilflosigkeit, Verzweiflung, Ärger, Wut und Trauer. Eine Situation, die niemand alleine bewältigen kann. „Wir dürfen deshalb weder die Angehörigen noch die Menschen mit Demenz alleine lassen“, so Beate Heiler-Thomas. So sind dann auch die fünf Angehörigen-Gruppen laut Heiler-Thomas „das Herz des Vereines“.
Die Alzheimer-Gesellschaft, die im Kreis 2015 gegründet wurde, will deshalb das Problembewusstsein und das Verständnis für Demenz, insbesondere die Alzheimer-Demenz, in der Region schärfen und einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungssituation leisten. Das geschieht beispielsweise durch die Gründung des Projektes „Netzwerk Demenz Rheingau-Taunus“, aber auch durch Fachvorträge. Beate Heiler-Thomas: „Im Sinne der Selbsthilfe sind auch die fachlich begleiteten Gruppen für Angehörige von Menschen mit Demenz und für Menschen in der Frühphase einer Demenz von besonderer Bedeutung.“
Statt das Thema Demenz zu verschweigen, es zu verdrängen, müsse sich der Staat der Realität und der Dimension der Krankheit stellen und bedacht sein, ein dichtes Netz an gut organisierten und qualifizierten Beratungsstellen zu schaffen. Die Kommunen sollten Anlaufstellen als eine Form der Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger verstehen, betont Beate Heiler-Thomas im Gespräch mit Landrat Frank Kilian. Das wäre eine soziale Leistung und vor allem eine Anerkennung für die Angehörigen von Demenz-Erkrankten.