Wir danken unserem Mitglied Volkmar Schwabe für seine öffentliche Stellungnahme.
“Zum Artikel “Deutschlands erstes Demenzdorf in Niedernhausen”, Wiesbadener Kurier, 19.07.2023
Als direkt Betroffener, d.h. gesichert an Alzheimer-Demenz Erkrankter, zum Glück “noch” in einer leichteren Form, hat mich Ihr Artikel „Deutschlands erstes Demenzdorf in Niedernhausen” naturgemäß besonders interessiert. Und auch ganz besonders geärgert!
Ob der sehr oberflächlichen und unkritischen Berichterstattung. Was doch aber umgekehrt gerade einen guten Lokaljournalismus ausmachen sollte.
Sogar für ein “Leuchtturmprojekt” wird euphorisch in dem Artikel geworben.
Lassen Sie mich dazu folgendes sagen:
Natürlich ist die dem zugrunde liegende Idee zu begrüßen. Die ständig wachsende Zahl an Demenz Erkrankter braucht vielfältige und viel mehr Hilfe. In der Tat!
Aber nicht in dieser Form und schon gar nicht mit diesem Terminus!
Wenn es schon höchst bedenklich ist, dass das ASB als eigentliche “Fachorganisation” und die Lokalpolitiker:innen in einer äußerst stigmatisierenden Form von einem “Demenzdorf” reden, so müsste gerade das zwangsläufig einen kritisch-konstruktiven Kommentar Ihrer Redaktion nach sich ziehen.
Der Begriff “Demenzdorf” stigmatisiert, grenzt aus”!
Erweckt den Anschein, als gäbe es eo ipso Menschen mit Demenz, wie etwa Schwerbehinderte mit angeborener Behinderung. Demenz ist aber eine Krankheit, die leider aufgrund des Älterwerdens immer mehr Menschen befällt. Eine Krankheit, die behandelt werden kann, hoffentlich und vermutlich in naher Zukunft erfolgreicher als bisher.
Deshalb können und dürfen wir nicht stigmatisierend von einem “Demenzdorf” sprechen, sondern etwa von:
Einer Lebensgemeinschaft für Menschen, die an Demenz erkrankt sind!
Das wäre das fachlich richtige und nichtdiskriminierende und nicht ausgrenzende Etikett!
Merken Sie den großen Unterschied?
Oder würden Sie in Ihrer Zeitung von einem “Schwerbehinderten-Dorf” sprechen? Oder gar von einem “Kriminellen-Dorf”, um das einmal anschaulich auf die Spitze zu treiben?
Zum Thema “Ausgrenzung” gehört auch die geplante Lage. Die Lochmühle würde sich sicher hervorragend dafür eignen, wollte man aus welchen Gründen auch immer “auffällige Menschen” von der “Zivilisation” fernhalten, aufgrund der isolierten Lage aber nicht für Menschen, die gerade auf vielfältige soziale Kontakte dringend und therapeutisch angewiesen sind.
Fazit: Eine im Grunde gute, sogar sehr gute Idee, droht sich aufgrund oberflächlicher und unfachlicher Umsetzungsplanung in ihr Gegenteil zu verkehren.
Volkmar Schwabe, Journalist | 22.08.2023″